Kelten und Römer

Historischer Rundgang - „Auf den Spuren der Kelten und Römer“

Von Karlheinz Müller in 04/2006

Über den Einsiedelspfad in Richtung Wald

(1) Der Weiler Steinhausen

Zwischen dem Einsiedelweg und dem Mühlweg liegt die Gewann „Am Einsiedelpfad“. Hier, ungefähr in der Mitte zwischen Semd und dem Wald, befand sich früher der Weiler Steinhausen, der aus 4 bis 5 Bauernhöfen bestand. Auch die oberhalb des Einsiedelpfades, gegen die Straße nach Richen zu, liegenden Gewannen „Am Feldborn“ und „Am Weißen Stein“ weisen auf eine Besiedling dieses Gebietes hin. Leider gibt es bislang keine Hinweise, zu welcher Zeit Steinhausen entstanden ist und ob sich davor vielleicht sogar ein römischer Gutshofhof dort befand. Zumindest lassen Luftaufnahmen, auf denen die damaligen charakteristischen Fundamente zu erkennen sind, darauf schließen. Auch der in der Nähe gelegene „Feldborn“ weist darauf hin, da dieser im Zusammenhang mit dem Römerbad (siehe 3) gestanden haben muß.

Über Steinhausen schreibt Lehrer Bräunig in seiner Chronik im Festbuch zum 60-jährigen Jubiläum des „Männergesangvereins Sängerlust“ 1927 folgendes:
Die Kriege des 16. Jahrhunderts brachten auch unserem Dorf viele Drangsale wie nachstehende Urkunde in kurzer Schilderung angibt:
„Anno Domini 1504 uff den 27ten Tag, das war zu der tzyt Montag nach pinsten, do hat der Landgrave Wilhelm uß Marpurg mit Heereskraft an den Ryn getzogin uwer den Pfalzgraven Herrn Philips unde uff freytag darnach durch Frankfurth getzogin nach Omstad und sint alle Dorffeschaften unde wegen denne von Ißenburg und Hanaw zu Babinhausen und auch der Pfalz zustendig geplündert unde zu Grunde abgebrannt. Uff Dinstag nach Trinitatis ist der Landgrave vor Omestad im Udinwalde getzogin unde hat die stad gewonnen unde keynen schaden genommen, denn allayn Reynhard von Bomelberg ist herschossen. Darnach hat er eyn schloß gewunnen, genannt Hautzheim, ist Graven Ludwigs von Löwenstein gewest und alle Dörfer darumb unde den flecken Otzberg alle abbrennen lassen. Uff sonntag nach Corp. Chr., das war der IXte Tag Juni, da hat der Landgrave getzogin nach Bickenbach unde unterwegen alle Dörfer abbrennen lassen etc.“.
- Lehrer Bräunig, Festbuch zum 60-jährigen Jubiläum des „Männergesangvereins Sängerlust“, 1927

In dieser Fehde ist sicher auch das Dorf Steinhausen verschwunden, das westlich der heutigen Straße nach Richen zu lag. In der Gewann „Am Feldborn“ wurde beim Pflügen noch Mauerwerk gefunden, sicher Reste des genanntes Dorfes.

(2) Der Mühlweg

Über den Mühlweg wurden früher Schweine und Kühe in den Wald zur Weide getrieben. Der Mittelforst bestand überwiegend aus lichtem Eichenwald und eignete sich sehr gut für die damals übliche Waldbeweidung. Im Herbst fand das Vieh durch die herabgefallenen Eicheln ausreichend Nahrung. Das Gelände rechts der Knorrweg-Schneise, von den Semdern schon immer die „Viehtrieb-Schneise“ genannt, trägt daher bezeichnenderweise den Namen „Kühruh“.

Der Mühlweg wurde selbst bei der Feldbereinigung 1924, obwohl zu dieser Zeit schon kein Vieh mehr in den Wald getrieben wurde, noch mit 8 Meter breite katastermäßig erfasst und eingemessen.

Vom Einsiedelspfad über die B45 zur Kellerslache

(3) Das alte Römerbad

Im Wald im Bereich der Kellerslache (unweit des 1970 errichteten Teiches) befand sich ein Römerbad an einer Heilquelle und ca. 200 m davon ein römischer Gutshof (Villae Rusticae) (siehe 5). Alte Steinreste, die man fand, sind Zeugen dieser Stätten. Leider missbrauchte man dieses Gelände später auch als Art Schuttablageplatz.

Die hier im Wald gelegene „Heilquelle“ musste in einem engen Zusammenhang mit dem nahe gelegenen „Feldborn“ (siehe 1) gestanden haben, da nach dem Ausbau und der Höherlegung der B 45 im Jahr 1962 die Quelle im Wald langsam versiegte.

Von der Kellerslache über die Wiese zur Salzlackschneise

(4) Der „Pilgerpfad“ von Dieburg bis Walldürn

Die alte Römerstraße, die von Dieburg nach Obernburg führte und an dieser Stelle parallel zur B 45 verläuft, ist hier im Wiesengrund noch sehr gut zu erkennen. Diese Römerstraße wurde später auch „Pilgerpfad“ genannt und auch als solcher genutzt. Bis von Walldürn kamen die Pilger auf dieser Straße auch zu der in der Nähe gelegenen „Capella in foresta“ (siehe 5).

„Als römische Straßen sind daran erkenntlich, dass ein unzerstörlicher Estrich (Gemisch von Kalk und kleingestoßenen Ziegelsteinen) im Boden verborgen liegt, auf welchen noch große Pflastersteine solid gesetzt sind.“.
- J.W.C.Steiner, 1827

(5) Die „Capella in foresta“

Dem Buch „Ein Umstädter erzählt – Georg Füßler und sein Umstadt“ ist zu entnehmen: Es muss wohl ein uralter heiliger Ort gewesen sein, an dem die Kapelle errichtet worden war. Wie P. Eidmann in seiner Abhandlung „Der Pilgerpfad, eine römische Heerstraße“ ausführt, ist der Gedanke, dass die Kapelle auf den Trümmern einer römischen Siedlung (Heiligtum?) errichtet wurde, naheliegend, weil man dort neben mittelalterlichem auch römisches Material festgestellt hat. Sie war wahrscheinlich in ihrem Umfange nicht gerade klein, sondern eher eine Kirche, was schon aus alten Aufzeichnungen hervorgeht. Der hessische Amtskeller Gewendt aus Umstadt schreibt am 16. Juni 1589 über diesen Kirchenbau: „Allein findet man obendig der Thuer solcher Kirchen die Jahrszeit, wenn derselbig steinern Baw angefangen worden, eingehauen 1416, und ferners keine Anzeigung.“ 1416 scheint also das Jahr der Erbauung gewesen zu sein. 1480 wird in einem Schriftstück erwähnt: „Ibidem conveniunt: Ombstadt Major, Sembde, Cledtstadt, Ammerbach, Rychen, Rybach, Ombstadt Minor et Zymmern, Cappelanus in Foresta“, d. h. die Bewohner dieser Orte kamen ebendaselbst bei kirchlichen Feiern zusammen, bzw. wallfahrten dahin und unterhielten dort einen Kaplan. Der Kaplan hatte seine Wohnung in dem nahen Semd, zu dem ein Fußweg in südlicher Richtung, den man heute noch den „Einsiedelpfad“ nennt, führte. Nachdem aber in Umstadt und im Umstädter Land 1547 unter offizieller Mitwirkung der hessischen und kurpfälzischen Herrschaft die Reformation eingeführt worden war, lag die Forstkapelle unbenutzt da und verfiel.

Der kurpfälzische Rat Frieß in Umstadt (der Forstwald gehörte damals zu Umstadt) machte einige Jahrzehnte später darauf aufmerksam, weil die Forstkirche ohnedies wüst stünde und z. Zt. nicht notwendig sei und zu nichts gebraucht würde, möge die Stadt Umstadt bei der Obrigkeit nachsuchen, dass das Gehölz, die Steine usw. für Zwecke der Stadt verwendet werden sollten. Bei einer Zusammenkunft der Kurpfälzer und hessischen Umstädter Amtsmänner im Jahre 1588 wurde von denselben gerügt, dass das Umstädter Rathaus doch ein „alt, boeß und unbequemlicher Baw“ und zudem noch „gar zu enge gespannt“ sei. Es wäre erforderlich, etwas „ansehnlicheres an die Steth“ zu machen. Daraufhin wurde mit einer Entscheidung vom 16. Juni 1589 genehmigt, dass das Kirchenbaumaterial „Zue uffbawung eines beßeren Rathauß dieß Orts (Umstadts) bestimmt und etlich Geldt und Fruchtgefäll, die zue Besoldung eines Meßpriesters gestiftet gewesen, zue Erhaltung der Kirchengebawe von Umbstadt und Klein-Umbstadt angewendet werden sollten“.

Der Wallfahrtsort der „capella in foresta" war im Mittelalter nur eineinhalb Jahrhunderte im Blickpunkt des Zeitgeschehens. Er musste in diesem Zeitraum für unsere Gegend eine überragende Bedeutung gehabt haben. Das geht daraus hervor, dass die Stadt Umstadt noch lange Zeit nach dem Abbruch der Kirche zwei sogenannte Forstmärkte feierte. Diese fanden an den Sonntagen vor Johannis (Juni) und Michaelis (September) statt. Wahrscheinlich waren die Tage früher Hauptwallfahrtstage. Was mag bei diesen Forstmärkten für ein Leben und Treiben geherrscht haben. Nachdem die Forstkapelle abgebrochen worden war, feierte man die Forstmärkte trotzdem weiter. Sie waren ein Hauptbestandteil der städtischen Marktgerechtsame geworden und fanden nach diesem Zeitpunkt „im Feld vor der Stadt“ am Dieburger Tor statt. Anfang 1700 wurden diese Forstmärkte, weil sie „an den Heyligen Sonntagen nicht ohne große ärgernuß und Entheyligung" gehalten worden waren, auf Wochentage verlegt. Sie gerieten einige Jahrzehnte später in Abgang.
Soweit Georg Füßler.

Die Volkssage zur Entstehung der Forstkapelle erzählt die Geschichte eines Rittersmannes der an dieser Stelle ein von Räubern überfallen wurde. In seiner Not flehte er um den Beistand der Jungfrau Maria. Plötzlich erschien ein junges Mädchen, das auf dem Weg von Altheim nach Semd war und die Hilfeschreie hörte. Die Räuber erschraken bei ihrem Anblick, da sie es für ein himmliches Wesen hielten und flüchteten. Als Dank für die Rettung ließ dann der Ritter die Kirche errichten.

(5) Der römische Gutshof („Villae Rusticae“)

Wie vor erwähnt, wurde die „Capella in foresta“ vermutlich auf einem früheren römischen Gutshof errichtet. Das Gebiet um Groß-Umstadt wurde 83 – 85 n. Chr. von den Römern erobert. Zur Sicherung des Grenzgebietes wurde der Limes errichtet. Es handelte sich hierbei um 100 n. Chr. um eine durchgehend überwachte Grenzlinie mit hölzernen Wachtürmen. Das eroberte Land wurde planmäßig erschlossen. Stadtartiges Zentrum in unserem Raum Groß-Umstadt war Dieburg. Bauerndörfer gab es zu dieser Zeit nicht. Charakteristisch waren Gutshöfe (villae rusticae). Diese Gutshöfe wurden den römischen Soldaten nach langen Dienstjahren (ca. 25 Jahre) als Dank unweit der Grenzanlagen zur Verfügung gestellt. Sie bewirtschafteten zwischen 60 und 100 ha und lagen im Abstand von 700 - 1000 m voneinander entfernt. Die Höfe waren untereinander durch Wege und Straßen verbunden.

Der hier sehr nahe an der Römerstraße gelegene Gutshof diente wahrscheinlich auch als Station zum Um- bzw. Vorspannen für die Versorgungswagen der Römer entlang der Grenze, da ab Groß-Umstadt ja eine erhebliche Steigung zu bewältigen war.

Später auf dem Rückweg dieses Rundgangs, ist von der „längsten Bank der Welt“ aus im Gelände gut zu erkennen, dass es von der alten Römerstaße (3) eine Verbindung zum Gutshof gab.

Dieses Gebiet der Forstkapelle bzw. des römischen Gutshofs wird wegen der vielen Steine die es dort gibt von den Semder auch „Stoabuggel“ genannt.

Vom „Stoabuggel“ über die Winkelfeldschneise zur Gambseiche

(6) Die Gambseiche

Gut 450 Jahre ist die Gambseiche nun schon alt und ist eines von insgesamt 100 Naturdenkmälern im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Dem Hinweisschild und einer Informationstafel ist zu entnehmen, dass es sich dabei um eine Stieleiche handelt. Sie ist ca. 40 m hoch und hat einen Umfang von sechs Metern. Weiter heißt es:

„Diese Stieleiche trägt seit 1875 den Namen des seinerzeit in Semd wohnenden ehemaligen Forstschutzwartes Gambs. Der Baum ist ein Relikt der Waldbeweidung, die bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts auch in der Gemarkung Groß-Umstadt üblich war. Wenngleich ihre einstige Pracht langsam verblasst, gibt es gute Gründe, die alte Eiche, die wie ein Leuchtturm an der Stelle einer ehemaligen großen Waldwegkreuzung steht, zu erhalten. Sie wurde am 27. Mai 1959 zum Naturdenkmal erklärt.

Von der früher mehrstämmigen, weit ausladenden Krone sind leider nur noch Reste wie der nach Nordosten ausgerichtete Stämmling geblieben. Totholz bestimmt das Erscheinungsbild. Der Baum stirbt langsam ab.“


Laut Unterer Naturschutzbehörde handelt es sich dabei um den üblichen biologischen Zerfall wie bei allen Lebewesen. Baumpilze würden den Vorgang noch beschleunigen und sichtbar machen.

(6) Hügelgrab

Nur ca. hundert Meter von der Gambseiche entfernt befindet sich ein keltisches Hügelgrab, zwischen 1500 bis 500 Jahre vor Christus als Begräbnisstätte unsererVorfahren errichtet und benutzt. Ein einziges Hügelgrab enthielt bis zu 100 Einzelgräber. Insgesamt 31 solcher Hügelgräber soll es im Waldgebiet am alten Weg nach Altheim geben.

Von der Gambseiche über den „Semder Weg“ Richtung Richen

(7) Hügelgrab

Gut sichtbar ist auch ein weiteres Hügelgrab, das unweit „der Maria“ durch den Waldweg nach Richen zerschnitten wird.

Siehe hierzu auch unter 6.

Von „der Maria“ über den Kulippsborn und den „Semder Weg“ zur „Hohen Straße“

(8) Der römische Gutshof am „Kuhlippsborn“

Auch hier befindet sich in unmittelbarer Nähe eine Quelle, die den Römern als Bad und Wasserversorgung diente.

Siehe hierzu auch unter 5.

(9) Die Römerstaße von Dieburg nach Stockstadt

Ca. 50 Meter abseits der heutigen „Hohen Straße“ verlief die heute noch sehr gut sichtbare alte Römerstraße, die von Dieburg nach Stockstadt führte. Streckenweise schneiden sie sich auch und verlaufen auf der gleichen Trasse.

Diese Straße von Dieburg nach Stockstadt wurde erst relativ spät von den Römern fertiggestellt und daher nur ca. 30 Jahre lang benutzt.

Der Rückweg nach Semd führt durch den Wiesengrund, vorbei an der „längsten Bank der Welt“, über die Brücke über die B45 und den Wiesenweg.
Karlheinz Müller