Heimatforscher Adam Storck

Aus alten Überlieferungen

Die nachfolgend aufgeführen Seiten stammen aus den Aufzeichnungen des ersten Semder Heimatforschers Adam Storck 4., Schreinermeister und Landwirt, besser bekannt unter dem Namen „de Zeppelin“. Die Unterlagen wurden von seiner Enkelin Ute Wolf erfasst und bearbeitet.

Moi lieb Semm – O du moi Semm

23.8.1967 - Adam Storck 4.
O du moi Semm, moi Haometdorf, wie bist du so schej
Gern durch deu altvertraude Gasse ich gej
Mit Ecke un Winkel wou mer sich hot bei Kinnerspeel entzückt
Wou spärer mer hat ja manch Mädche gedrückt.
Du worst vor üwer tausend Johrn schon bewohnt
In alte Urkunde is es vermerkt, ihr Eublick sich lohnt
Wieviel Euwohnes es domols worn, is nit bekannt,
die hatte domols noch ka Euwohnerliste un ka Standesamt.
Im Oste grüße die Umstädter Berge un die fernen Spessarthöhen
Im Westen is der Roßdorfer Buckel un de Mainzer Berg zu sehen
Im Süden sieht mer die stolze Berge vom Ourewald
Im Norde schließt ab ein stolzer Wald
Un mittedrin leit Semm, vun de Semme durchflosse
Es blüht un gedeit – kann seje sich losse.
Sein Borem ist gut – en Seje für die Landwirtschaft,
die wie Handwerk und Gewerbe im Geiste des Fortschritts schafft!
Un wann ich vum Wald kumm un Semm leit do so schej
Denk nur – was braucht mer do noch Italien, Spanie auf Reise zu geh
Obwohl mer dort uff landschaftliche Schönheite, Berge un See pocht –
Mein Trost iss, dort wird die Suppe a nur mit Wasser gekocht.

Gemarkung Semd 1955

Gemarkungsgröße: 1599 ha
Landwirtschaftlich genutzte Fläche: ca. 744 ha
Wald und Ortsteile : 855 ha

Der Wald ist fiskalisches Eigentum und wurde 1806 unter Bürgermeister Seibert für die Gemeinde Semd eingesteint und damit der Gemarkung einverleibt. 1928 bis 1931 war hier die erste Flurbereinigung und 1963 das Zusammenlegungs- verfahren.
Vor der ersten Flurbereinigung gab es noch viele Äcker mit ca. 500 – 2500 qm.

Das in der Gemarkungsflur „Feldborn“ gelegene Steinhausen dürften nur einzeln liegende Höfe gewesen sein, die um die dort vorhandenen Quellen gebaut wurden.
Ebenso der „Krombacherhof“ wahrscheinlich Kohlhaufen, Flur- oder Parzellennamen, ebenfalls an Quelle angelehnt. Die Quellen wurden mit der Drainage abgeleitet.

Mühlen

In der Gemarkung waren die Ober-, die Unter- und die bis 1931 zur Gemarkung Semd gehörige Forstmühle bei Altheim. Die Mühlen stehen heute still und es sind Urkunden über die Verleihung der Wasserrechte nicht vorhanden.

Bach und alte Bachläufe

In der Bachgasse gegenüber der Hügelstraße stand früher das alte Rathaus. Früher war der Saal Schulraum zugleich. Ein Zimmer wurde als Standesamt zu Trauungen benutzt.
Die Bürgermeistereien waren früher in den Privaträumen der jeweiligen Bürgermeister bis 1910 als durch den Bau eines Schulgebäudes die Rathausräume in das alte 1868 gebaute alte Schulhaus verlegt wurden.
In diesem alten Rathaus waren zwei Backöfen eingebaut mit spitzzulaufenden Schornsteinen. Hier wurde das köstliche Bauernbrot (Schwarzbrot) gebacken.

Öffentliche Brunnen

In jeder Straße war ein gegrabener und ausgemauerter Brunnen und bis 1900 dabei noch ein Schöpfbrunnen, d. h. ein hölzerner Eimer wurde an einer Stange hinabgelassen und das Wasser geschöpft.

Vom Hexenglauben aus früherer Zeit

Die Styel und im Bereiche der Styel (Stiel und Stielpfad) war es nach Meinung der Ortsbürger vor 200 Jahren, da man noch an Hexen glaubte, wie auch an Gespenster, nicht geheuer. Es „wewerte“.

Jetzt ist ja dort bebaut und früher für das Oberend die kürzeste Verbindung zum Wald und zum sogenannten Eck. War es Vollmond und hatte es vielleicht geregnet, da glänzten die Blätter der Hecken in den Brenzegärten und den alten Birnbäumen zumal wenn noch der Wind wehte; in früherer Zeit war es gruselig, was wir für schön finden. Noch um die Jahrhundertwende und in der Zeit bis zum ersten Weltkrieg gingen an Winterabenden manchmal Gesellschaften dorthin, da Singen im Dorf verboten war und sangen, was sehr schön über das Dorf klang.

Hier möchte ich etwas aus eigenem Erlebnis zufügen:

Als Schulknaben kamen wir am Nachmittag und manchmal noch am Abend in einem Haus zum Kartenspiel zusammen und wenn da bei einem guten Kartenspiel sich alles auf der alten schwachen Bank hin- und herbewegte, musste diese unbedingt in allen Fugen knarren. „Es spukt“, sagte dann eine alte Nachbarsfrau die vielleicht vom Alter beeinflusst, noch an Hexen glaubte.

Über die Auswanderungen im 19. Jahrhundert

Von alten Leuten wurde früher immer auf die armen Zeiten der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts hingewiesen. Nach einer Statistik vom Kreisamt Dieburg sind in den Jahren 1853/1854 58 Personen von hier ausgewandert. Hauptsächlich nach Amerika.
Der frühere Bürgermeister Lengfelder war als junger Mann dreimal drüben.
Ein hiesiger Bauer brachte mit Pferdefuhrwerk dreimal Auswanderer von hier und Umgebung nach Bremen. Hier sei nebenbei noch zu erwähnen; er brachte das erste Reff mit, wodurch die Getreideernte schneller voranging, als mit dem Schneiden mit der Sichel.
Zur Überfahrt auf dem Segelschiff mussten die Leute selbst ihre Verpflegung mitbringen. Kuchen wurde zu Zwieback gebacken usw. Bei gutem Wind dauerte es manchmal nur 2 – 3 Wochen, war aber schlechter Wind etwa 6 – 8 Wochen.
Da ging dann das Trinkwasser aus und der Mundvorrat.
Nur wenige suchten ihr Glück im Osten – Ungarn oder Österreich.

Rede zum 1. Alten-Ehrentag am 26. Mai 1966

Verehrte Anwesende, ihr lieben Alten und werten Gäste!
Wort des Dankes möchte ich für alle Alten an Euch richten aus Anlaß Eurer Teilnahme zu dieser Feier.
Nachbar Pullmann als Ältester der Männer, das möchte ich nicht vergessen,
hat mich beauftragt, an seiner Stelle den Dank der Alten auszusprechen.
Hinter uns liegt ein langes, im Rückblick ein kurzes Leben
und was hat es dabei nicht alles gegeben.
Krieg, Elend und harte Zeiten, Kummer und auch Herzeleid. Stark schon sind gelichtet in einzelnen Jahrgängen die Reihen,
doch all denen, die in fremder Erde oder im heimischen Friedhof liegen in engen Schreinen, ihnen wollen wir ein stilles Gedenken weihen.
Ich danke Ihnen.
Verklungen ist das schwermütige Lied
stille Trauer und herbes Weh durch manche Herzen zieht.
Doch der Pulsschlag der Welt hört nicht auf.
Neue Generationen erstehen, wir Alten müssen sterben, das ist der Welt Lauf.
Doch der Jugend der heutigen Zeit,
ihr ist ein gutes Leben beschieden und bereit.
In unserer Jugend dagegen herrschte mehr Armut, Sparsamkeit und Bescheidenheit
und das nennt man jetzt die gute alte Zeit
Hät damals mancher die vollen Tische, die Ehrung heute erblickt,
wie wären die Alten damals gewesen von Erstaunen entzückt.
Doch jetzt unseren besonderen Dank den Herren vom Ortsvorstand, die dieses haben arrangiert
und in der angenehmsten Weise haben durchgeführt.
Aber auch dem Gesangverein, den Sportlern, dem Musikverein, der Tanzgruppe, der Musik, dem Herrn Pfarrer, den Frauen und allen, die zur Verschönerung beigetragen haben,
ihnen möchte ich für die Alten herzlichen Dank auch sagen.
Und so ihr Alten zu dieser Dankesbezeugung wollt Eure Einwilligung geben,
so bitte ich Euch, wem es nicht schwer fällt, von den Sitzen sich zu erheben.
Heut gedenkt man der Alten in breiter Öffentlichkeit,
es ist dies der Ausdruck einer besseren Zeit.
Doch in der Bahn und im Omnibus könnt Ihr´s oft sehen,
die Jungen bleiben sitzen, die Alten müssen stehen.
Im Hintergrund die Semder Fahne, das alte Semder Wappen
das einst haben unsere Altvorderen erdacht und erschaffen.
Dank auch dem Herrn vom Ortsvorstand Kamerad Reinhard, der dies bedacht
und wieder hat zu Ehren gebracht.
Unter seinem Schutzbereich soll man nicht hochdeutsch rede, babble wie am die Mutter gelehrt
und wie es sich als Semmer gehört,
so wie es früher gewese ist,
drum babbl ich wie mir als Storck der Schnawel gewachse ist.
Zu dem Esse möchte ich nicht vergesse, im Krieg hat man uns über Kalorien belehrt,
doch die Menschheit hott von dene gar viele entbehrt.
Heut belehrt man uns über Vitamine A B C D 11, 12 und 13 unn des is ja schon recht,
aber so ein Vitamin-Rumstück oder Kotelett ist auch nicht schlecht.
Frauen lieben mehr Kaffeegebäck und Süsigkeite,
mir Männer häwe lieber was uf dem Teller zu verschneide.
Und dabei äwe könnte es anders sein,
ein gutes Glas Bier und ein Gläschen Wein.
Un der Wein, ein jeder Arzt bezeugen kann es,
der Wein ist die Milch des alten Mannes.
Rotwein ist für alte Knaben,
eine von den besten Gaben.
Wein hebet die Laune, er lindert den Schmerz
Je öfters Ihr trinkt, um so besser bollerts Herz.
Frauen lieben mitunter den Wein nicht so sehr,
sie mögen heut trinken ein paar Likör.
Sie könne dabei sich allerhand erzähle
Und dabei vergesse unser Gläschen zu zähle.
Doch mit Freuden sei daran gedacht,
was die neue Zeit nach zwei verlorenen Kriegen hat Fortschritte und Verbesserungen gebracht.
Wie viele neue Häuser wurden erstellt
und wie hat die Landwirtschaft uns sich alles aufs modernste umgestellt.
Rundum und im Dorf und überall da wurde gebaut
Fortschritte und Verbesserung wohin man schaut.
Überall schöne Häuser, Stuben, Bäder, Küchen gleich wie in der Stadt,
dass jeder sich wohl fühlt und Freude daran hat.

Von öffentlichen und großen Projekten der Gemeinde möchte ich hervorheben:
Schulhausbau, Wasserleitung, Kanalisation, Straßenbau (Asphalt), Sporthalle, Kirchenrenovierung, Kinderspielplatz, Krieger-Ehrenmal und Leichenhalle.
Doch mit der Übersiedlung dorthin will ich noch etwas warte, mir tut es hier noch ganz gut gefalle.
Un bei allem is gewiß,
dass viel uff die Initiative von Gemeindevertretervorsteher Reinhard zurückzuführen ist.
Er ist der Jüngste von uns Alten, uff jeden Fall,
er hat ja auch seine Haare noch nit all.
Heute ärgert er sich gewiß,
weil er nicht mehr bei den Jugendlichen unter 70 ist.
Kürzlich am Tag nach seinem Geburtstag, war er gar nicht so entzückt.
Die vielen Gratulanten hatten seine Hände fast kaputt gedrückt.
Die Gemeinde hat seiner Verdienste gedacht
Und ihn zum Ehrenbürger gemacht.
Auch in höheren Ortes hat man seiner Verdienste gedenkt
und ihm das Bundesverdienstkreuz angehängt.
Und mit dem Alter wird er immer schlauer und
grad wie der alte Adenauer.
Und wenn auch bei seine Projekte und Probleme selbst seine Fraktionskollege die Köpfe mal schille,
schließlich weis er doch den Weg zur Finanzierung und setzt durch sein Wille.
Ja dem Reinhard, dem konn mer schon allerhand sage,
er ist ein Politiker und kann vieles vertrage.
Bei ihm macht der Tadel usw. nicht viel aus,
es geht beim eine Ohr rein und bei andern raus.
Doch auch diesbezügliche Aussprache , die mache ihm viel vergnüge
und er tut daraus seine Folgerung ziehe:
Die Erde dreht sich, die Welt schreitet fort,
voran strebt alles nach Erfolg in unserem Ort,
in den Häusern, in den Betrieben und Landwirtschaft
wird nach den modernsten Maßstäben geschafft.
Ein Streben und Wirken ohne Rast und Ruh
die Zahl der Autos nimmt wöchentlich zu.
Ja Ihr könnt sehen,
in manchen Häusern sogar zwei Autos stehen.
Auch draußen in den Städten und wo mans auch hört,
sind die qualifizierten Semder Arbeiter sehr begehrt.
Die einheimischen Handwerker und Gewerbetreibenden sind auf der Höh,
bis auf das Fehlen von Industriebetrieben ist überall Fortschritt zu seh.
Auch an das Ruhebedürfnis der Alten haben wir gedacht
und im Wald etliche Bänke gemacht.
Für den Winter soll noch elektrische Heizung in die Sitz hinein
Und unter dem Sitz noch eine Bar mit Flaschen für die innere Heizung sein.
So werden die Spaziergänge einem zum Vergnügen.
Über alle was durften wir erleben, ihr Alten, seid froh und vergnügt
vielleicht dass mancher im nächsten Jahr schon im Grabe liegt.
Der Tod kommt oft plötzlich, mit dem ist nicht zu spasse,
doch jeder möchte dem andern da den Vortritt lasse.
Doch die heutige medizinische Wissenschaft,
immer eine höhere Lebenserwartung schafft.

Nochmals möchte ich den Veranstalter und den Beteiligten danken, doch aber auch möchte hoffen frank und frei,
dass in 20 Jahren sind auch 100-jährige dabei.
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