Auszüge aus dem Verhör des Schinderhannes

Der Text des Verhörs wurde der nachfolgenden Internetadresse entnommen:
http://news.genealog.de/schinderhannes/verhoer/index.shtml
(Es sind hier nur die Fragen aus dem Verhör aufgeführt, in denen der Schinderhannes in seinen Antworten Semd und Orte aus der unmittelbaren Nachbarschaft erwähnt; die betreffenden Orte sind fett markiert)




022) Habt ihr keine Bekanntschaft mit dem Juden Raphael, gewöhnlich Raffel von Niedersaulheim genannt?
Antwort: Ich kenne zwar den Vater nicht persönlich, wohl aber seine zwei Söhne, welche ich schon zu Groszimmern auf dem rechten Rheinufer gesehen, wo ihre Schwester wohnet; ich weiß aber daß Müllerhannes gewöhnlich diesem Raphael und seinen Söhnen die gestohlenen Sachen verkaufet hat und dieser Handel besonders von dessen Frau betrieben worden. Ausserdem weiß ich daß die beiden Söhne des gedachten Raphael, so wie ein anderer Jude Namens Feist von Habitsheim bei Umbstadt, viele Diebstähle auf dem rechten Rheinufer begangen; da dieselbe meinen Namen mißbrauchet, so habe ich das Amt zu Umbstadt durch einen, an das Fenster des Wachthauses daselbst angehefteten Brief, hiervon benachrichtigt, worauf gedachter Feist soll arretiret worden seyn.

057) Habt ihr keine Wissenschaft von dem in der Nacht vom sieben und zwanzigsten auf den acht und zwanzigsten April lezthin bei dem Pfarrer Lindenborn zu Neuenkirchen auf dem rechten Rheinufer verübten Diebstahl?
Antwort: Auf das lezte Osterfest war ich mit Christian Rheinhard, Christoph und Jakob Gerhard, wie auch Peter Petri der sogenannte Schwarzpeter und Johann Adam, Sohn eines Hägereiters aus dem Odenwald, in dem Wald bei Wildenburg; ich füge hinzu, daß Krämer Antons Joseph von Feil auch bei uns war; den Montag sind wir in den Wald bei dem Mittel-Reidenbacherhof gegangen; den Dienstag haben wir uns in die Steinalp in den Waldbezirk, auf dem Borg genannt, begeben. Den Mittwoch sind wir nach Hundsbach gegangen, wo wir den Tag über in des Peter Allenbachers Scheuer waren. Den Donnerstag sind wir auf den Steinerterhof zwischen Sobernheim und Bekelheim gegangen.
Von da haben wir uns den nämlichen Tag auf den Eisenhammer zu Grevenbach in dem Sonwald begeben. Freitags Nachmittag habe ich mich von den andern getrennt und bin auf den Hünerhof zurük gegangen; Krämer Antons Joseph war bei mir; ich habe diesen leztern Samstags verlassen und habe mich nach Hundsbach begeben, wo ich mit Peter Allenbach von Hundsbach welcher mich bis an den Stall führte, ein Pferd gestohlen habe. Ich habe den Weg über Rehborn nach Ekelsheim genommen, allwo ich das Pferd bei einem Namens Grothe ließ. Ich sezte meinen Weg gegen Hamm fort, wo ich den Dienstag über den Rhein fuhr und zu Kleinrohrheim bei einem Wirth Namens Maus die anderen, nämlich: Christian Rheinhard, Christoph und Konrad Ekard, und Schwarz-Peter wieder antraf; der Namens Johann Adam hatte den Morgen vor meiner Ankunft schon Kleinrohrheim verlassen. Crote welcher ein Saamenhändler ist hatte einen Karch mit dieser Waar beladen, und selbigen mit obigem Pferd nach Kleinrohrheim auf die andere Rheinseite geführt, allwo er mir selbiges zustellte.
Ich habe von den andern gehört, daß nachdem ich sie verlassen hätte, sie in der Nacht vom Freitag auf den Samstag zu Spall auf dem Hundsrück zwei Pferde gestohlen, und diese zwei Pferde in den bei Lemberg gelegenen Wald geführt haben, und daß der Eigenthümer welcher sie verfolgt hatte diese zwei Pferde in besagtem Wald wieder gefunden hat. Wornach sie in der Nacht von Samstag auf den Sonntag ihren Weg nach Ekelsheim nahmen, wo sie bei einem Namens Keim, Wirth, der sie so gut als mich kannte, den Tag über geblieben, welcher aber übrigens keinen Antheil an meinen Verbrechen genommen hat. Von Ekelsheim sind sie in der Nacht vom Sonntag auf den Montag nach Bibelsheim gegangen, wo sie den Tag bei dem Wirth im Ochsen zubrachten, bei welchem wir, so oft wir durch diese Gegend reißten, wohnten. Von Biebelheim sind sie nach Hamm gegangen, wo sie Dienstags in aller früh über den Rhein fuhren, und den nämlichen Tag haben wir uns zu Kleinrohrheim wie schon gesagt, wieder getroffen. Die andern haben Kleinrohrheim den Abend des nämlichen Tags verlassen und sind nach Semm bei Umbstadt gegangen. Ich bin ihnen Mitwoch Nachmittags nachgefolgt und habe sie Donnerstags in besagtem Semm bei Umbstadt angetroffen, wo sie die Nacht auf dem Speicher eines Bauern Namens Knell zugebracht hatten, bei welchem ich auch mein Pferd, welches ich dem Jud Namens Jekuf von Diburg verkauft habe, einstellte.
Ich beweise durch diese umständliche Beschreibung dieser Reise, daß es unmöglich ist, daß ich oder einer meiner Kameraden den besagten Diebstahl hätten begehen können. Ich habe dennoch einige Auskunft über den Diebstahl zu geben.
Nachdem ich mich von Kleinrohrheim nach Semm begab, passirte ich über Seheim; da ist es daß mir der Wirth, bei welchem ich einkehrte, die erste Neuigkeit des zu Neunkirchen begangenen Diebstahls mittheilte. Einige Tage nach meiner Ankunft zu Semm, war ich im Gasthaus zum Engel, wo ich einen gewissen Maus aus besagtem Ort angetroffen habe, welcher mir bekannt war, weilen er gestohlene Effekten, insbesondere von Georg Friederich Schulz, damals in Umbstadt und itzt in Mainz gefangen sizzend, gekauft hatte. Dieser Maus sagte mir, daß der Namens Feist von Habitsheim, des Gersons Knecht von Großzimmern, des besagten Gersons zween Schwäger welche zu Niedersaulheim auf dem linken Rheinufer wohnen und vier andere Juden von dieser Seite, endlich ein Bauer von Großzimmern, welcher, wenn ich mich nicht irre, der Sohn des Fleischmanns ist, den fraglichen Diebstahl begangen haben. Übrigens wird die Frau bei welcher Georg Friederich Schulz damals in Großzimmern angehalten worden ist, nährere Auskunft geben können, dann sie ist die Vertraute des Georg Friederich Schulz und obengesagter Person.
198) Habt ihr nicht dem Georg Friedrich Schulz in dem Hause des Beckerhannes zu Habitsheim vorgeworfen, daß besagter Schulz einem gewissen Hannsjakob von Münster zwei Pferde gestohlen habe?
Antwort: Das Haus des besagten Hannsjakob diente mir zum Zufluchtsort, ich war oft drei, vier Tage nacheinander da und in dem Hause seines Schwagers Witzel. Ich brachte vergangenen Winter fünf oder sechs Wochen dort zu. Während ich auf dem linken Rheinufer abwesend war, wurden besagtem Hannsjakob zwei Pferde gestohlen; ich wurde dieses so wie vieler andern Diebstähle, die ich nicht begangen hatte, beschuldigt, wodurch ich mich mit besagtem Hansjakob entzweite. Ich vermuthete gleich, daß Georg Friedrich Schulz den Diebstahl begangen habe und daß er also davon wissen müsse. Ich gieng daher mit meinen Kameraden Christian Rheinhard, Johann Martin Rinkert, Johann Leidecker und Krugjoseph nach Habitsheim. Wir ließen Georg Friedrich Schulz in des Bäckerhannes Haus kommen; wir warfen ihm diesen Diebstahl vor, er läugnete ihn begangen zu haben, erklärte uns aber, daß Johann Henrich (Georg) von Semm wisse, wem diese Pferde verkauft worden; wir begaben uns also mit gesagtem Schulz nach Semm, wo ich erfuhr, daß ein sogenannter Schebhalsiger Hannes (der sich auch Johann Hammer nannte, und unter welchem Namen ich ihn zu Semm gesehen habe, seitdem zu Lindenfels verhaftet wurde, von da wieder entwischte, und sich gegenwärtig in der Grafschaft Solms aufhalten muß) die Pferde gestohlen habe, und daß besagter Johann Henrich von Semm mit einigen Bauern von Habitsheim sie in dem Odenwald, in einem Ort, dessen Namen ich vergessen habe, verkauft hätten. Ich gab Hannsjakob von Münster von diesen Auskünften Nachricht, der sich seitdem mit den Käufern abgefunden.
215) Ihr habt auf die zwei und zwanzigste Frage gesagt, daß die zwei Söhne des Juden Raphael zu Niedersaulheim auf dem rechten Rheinufer viele Diebstähle begangen hätten; welches sind dann die Diebstähle, die sie begangen haben sollen?
Antwort: Ich weiß von einem gewissen Maus von Semm, daß die den Pfarrer von Neunkirchen bestohlen haben, und da zu selbiger Zeit auf dem rechten Rheinufer in der Gegend von Umbstatt mehrere Diebstähle geschahen, so habe ich Ursache zu glauben, daß sie die Urheber davon waren, um so mehr als keiner von meinen Kameraden sie begieng.
263) Der Namens Johan Adam, Sohn eines Hägereiter über dem Rhein; ist es nicht ein Mann von fünf Schuh sechs Zoll, magerer Gestalt, schwarzer Haaren, welcher einen Finger an der linken Hand verloren hat?
Antwort: Diese Beschreibung stimmt mit demjenigen Johann Adam, von welchem ich in meinen vorhergehenden Verhören gesprochen habe, nicht überein. Dieser ist ein junger Mensch von zwanzig Jahren, kleiner Gestalt, aber stark, braune Haare und Augenbraunen, rundes und färbiges Gesicht. Es ist ein Landstreicher und ich vermuthe, daß er in Gesellschaft mit Schwarz-Peter ist, mit welchem er kurz vor meiner Verhaftnehmung, Semm verlassen hat.

308) Zu eurer Antwort auf die 57ste Frage, habt ihr erklärt, daß der sogenannte Maus zu Semd euch bekannt seie, daß er gestohlene Sachen gekauft habe, und besonders von Georg Friedrich Schulz: Könnt ihr davon Proben aufstellen?
Antwort: Ich weiß es von Georg Schulz selbsten, daß er mit besagtem Maus in Verbindung war, und daß dieser Maus, so wie ein gewisser Johann Henrich und der Müller Semd, Gildner genannt, verschiedene, durch gedachten Schulz gestohlene Sachen gekauft haben. Was mich betrift, so habe ich den beiden Erstern nichts verkauft, wohl aber habe ich zu zweimalen auf der Mühle des Lezteren, an einem gewissen Henrich Rapp von Habizheim Pferde verkauft, die ich zu Limbach und Hahnmühl, auf dem linken Rheinufer gestohlen hatte. Dieser Verkauf geschah vergangenen Winters, in Gegenwart des Müllers, der eben sowohl, als der gedachte Rapp wußte, daß die Pferde gestohlen seyen, und der Müller selbst ließ den Rapp rufen.

309) Hat euch besagter Maus nicht gesagt, woher er wisse, daß ein gewisser Feist und andere, die ihr in euerm obgemeldeten Verhör angegeben habt, den Pfarrer von Neunkirchen bestohlen haben?
Antwort: Nein.

311) Habt ihr keine Wissenschaft davon, ob das Pferd, welches besagter Maus von dem Förster Grefer von Semd gekauft hat, gestohlen war?
Antwort: Nein, ich weiß nichts davon; ich weiß blos, daß ihm einmal gestohlene Pferde wieder abgenommen worden, und ich muß hinzusezzen, daß er mir einmal angelegen, ihm ein gestohlenes Pferd zu bringen; da er es aber auf Kredit haben wollte, eilte ich nicht sehr ihm Genüge zu leisten. Es war vergangenes Frühjahr, wo ich mich acht oder vierzehn Täge auf besagter Mühle aufhielte.

555) Welche sind die Umstände, so den Diebstahl der zween Pferde, welchen ihr im Winter des Jahrs zehn auf der Hannmühl begangen habt, begleitet haben?
Antwort: Ich war mit Johann Nikolaus Müller dem jungen von dem rechten Rheinufer herüber gekommen, in der Absicht etliche Pferde zu stehlen. Ich wußte schon zuvor, daß besagter Müller schöne Pferde hatte. Ich kannte auch die Zugänge der Mühle und des Stalls, wo die Pferde sich befanden. Den Tag vor bemeldetem Diebstahl befand ich mich mit dem jungen Boutla auf dem Eichenerhof: Gegen sieben Uhr Abends verließen wir diesen Hof, der nur eine halbe Stunde von der Mühl entfernt ist. Ich stieg auf den Speicher, indem ich die Mauer hinauf kletterte, und gieng durch den Laden, der nicht verschlossen war, hinein; von da stieg ich durch ein Loch, welches von dem Speicher hinein geht, in den Stall. Ich öffnete die Stallthüre, indem ich den Riegel, der selbige verschloß, wegnahm, und nachdem ich mich zweier Pferde bemächtigt hatte, begaben wir uns nach Eckelsheim, wo wir bei einem Namens Grothe, der bei unserer Ankunft nicht zu Haus war, halt machten. Grothe kam aber während unsrem Aufenthalt zurük und erkundigte sich nicht, wo wir diese Pferde erwischt haben könnten: Wir verließen noch den nemlichen Tag sein Haus und begaben uns über den Lercherhof nach Hamm, wo wir vier und zwanzig Stunden in dem Seibelschen Haus zubringen mußten, indem das Eis uns den Uebergang über den Rhein verhinderte. Ich verkaufte diese Pferde dem Namens Heinrich Rapp vom Habitsheim, im Amt Umbstatt, auf der Mühl zu Semm, mittelst zehn Louisd’ors.

560) Wisset ihr nicht, wem Schulz und Krug-Joseph diese zween Pferde verkauft haben?
Antwort: Sie haben sie einem Namens Johann Heinrich, dessen Beiname der Dicke von Semd ist, und dem Rapp von Habitsheim verkauft; diese haben eines davon an einen Einwohner von Keinsbach Fränkisch-Grumbach, von welchem ich den Namen nicht weiß, welcher aber einen Schwager hat, der ein Krämer und ein Brabänter oder Tiroler von Nation ist, wieder verkauft. Ich bemerke, daß das Haus dieses Käufers das erste, links ist, wann man von Fränkisch-Grumbach hinein gehet, bei dem kleinen Bächelchen. Das andere Pferd wurde in der Gegend von Wald-Michelbach verkauft; aber ich kenne weder den Namen des Orts, noch den des Käufers.